Witzenhausen erinnert: Gedenkveranstaltung zu Pogromen und Kolonialgeschichte
Witzenhausen gedenkt am 10.11.2025 der Pogrome von 1938 und ihrer kolonialen Verstrickungen in einer bewegenden Zeremonie.

Witzenhausen erinnert: Gedenkveranstaltung zu Pogromen und Kolonialgeschichte
Am 10. November 2025 wurde im Innenhof der ehemaligen Deutschen Kolonialschule in Witzenhausen ein bewegendes Gedenken an die Pogrome von 1938 abgehalten. Die Veranstaltung, die vom Arbeitskreis „Witzenhausen und der Kolonialismus“ organisiert wurde, fand in einem kleinen, aber feinen Rahmen mit etwa zwanzig Teilnehmenden statt. Diese Gedenkfeier erinnert nicht nur an die Opfer der damaligen Gewalttaten, sondern beleuchtet auch die Verbindung zu kolonialen Verstrickungen in der Region.
Der Rundgang, der den Auftakt der Veranstaltung bildete, führte an verschiedene Orte jüdischen Lebens in der Stadt. Erster Halt war der ehemalige Zollamtsplatz, den ein einmaliger Judenbogen zierte, der die Sabbatgrenze der jüdischen Gemeinde markierte. Dieser Judenbogen wurde gegen den Willen der Gemeinschaft 1933 von Nationalsozialisten entfernt und 1934 endgültig beseitigt. An solchen Orten lebendig gewordene Geschichte zu erfahren, ist eine wichtige Aufgabe des Gedenkens.
Erinnerung an die Betroffenen
Besonders beeindruckend war die Schilderung von Erinnerungen, wie sie die damals elfjährige Marga Steinhardt erlebt hat. Die Empfindungen und Ängste, die sie während der Pogrome durchlebte, wurden eindringlich geteilt. Zudem wird die schmerzhafte Geschichte der Familie Grünbaum thematisiert, besonders das Schicksal des geistig beeinträchtigten Sohnes Rudolf, der während der Pogrome brutalen Misshandlungen ausgesetzt war.
Nach dem Rundgang wurde im Innenhof eine neue Texttafel am Mahnstein vorgestellt, die die Rolle der Lehrenden der Kolonialschule in antisemitischer und kolonialrassistischer Ideologie thematisiert. Dr. Birgit Metzger betonte in ihrer Ansprache die Wichtigkeit, die Tatsache nicht zu vergessen, dass an der Kolonialschule zwischen 1898 und 1944 völkische und koloniale Weltbilder vermittelt wurden. Insbesondere ein ehemaliger Dozent, Jakobus Albertus Onnen, wurde erwähnt, da er mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einem Holocaust-Foto identifiziert werden könnte.
Verbindung zwischen lokalem Gedenken und großer Geschichte
Die Veranstaltung in Witzenhausen vereinte das lokale Gedenken mit einem größeren historischen Kontext, wobei sowohl die Stimmen der betroffenen Opfer als auch die Erkenntnisse der Forschung zur Sprache kamen. Es wurde eindringlich darauf hingewiesen, dass Rassismus und die Herrenmenschendenklogik, die an der Kolonialschule gelehrt wurden, an die wir uns erinnern müssen. Diese Erinnerungen, die vielfach eine untergegangene Geschichte betreffen, helfen dabei, auch aktuelle gesellschaftliche Themen im Licht der Vergangenheit zu reflektieren.
Indem Witzenhausen solchen Gedenkveranstaltungen einen Rahmen bietet, wird nicht nur der Vergangenheit Rechnung getragen, sondern auch eine wertvolle Diskussion über unsere Identität und die gesellschaftlichen Werte angestoßen, die wir bewahren und fördern wollen. Es liegt in unserer Hand, die Lehren aus der Geschichte in die Zukunft zu tragen.