Ungeöffnete Abschiedsbriefe: Emotionale Botschaften der NS-Opfer
Ungeöffnete Abschiedsbriefe von NS-Opfern in München: Ein Projekt sucht ihre Angehörigen und beleuchtet Geschichte und Emotionen.

Ungeöffnete Abschiedsbriefe: Emotionale Botschaften der NS-Opfer
Am 24. August 2025 rücken viele emotionale Abschiedsbriefe von zum Tode verurteilten NS-Opfern ins Licht der Öffentlichkeit. In München, der Stadt, die während der NS-Zeit als zentrale Hinrichtungsstätte diente, bleiben über 50 dieser bewegenden Briefe ungelesen im Staatsarchiv München aufbewahrt. Diese Briefe, die oft in den letzten Stunden vor der Hinrichtung verfasst wurden, erzählen Geschichten voller Trauer und Verzweiflung, wie ein Bericht von Welt unterstreicht.
Mithilfe eines neu gestarteten Suchprojektes der Staatlichen Archive Bayerns und der Arolsen Archives sollen die Angehörigen dieser Hingerichteten ausfindig gemacht werden. Ziel ist es, den Hinterbliebenen Kopien der Briefe zur Verfügung zu stellen und so einen Beitrag zur Erinnerungskultur zu leisten.
Emotionale Abschiedsworte
Die Briefe, die von den Verurteilten verfasst wurden, bestehen oft aus erschütternden Gedanken und versehenen Appellen an die Angehörigen. Jan Stephinak etwa, der am 2. November 1942 hingerichtet wurde, war einer der Unglücklichen, dessen Abschiedsworte niemals ihren Adressaten erreichten. Ähnliches gilt für Johannes Fleischmann, der seiner Mutter in einem Brief mitteilte, dass das Gericht die Mörder seien. Vor allem die persönlichen und emotionalen Inhalte dieser Briefe berühren, wie Historiker Alexander Korb beschreibt.
Auch der Brief von Nikolaus Segota an seine Geliebte Anna, bevor er am 25. Mai 1943 sein Leben verlor, ist ein weiteres Beispiel, das die Tragik der Situation eindrucksvoll veranschaulicht. Zudem richteten René Blondel und Victor Douillet ihre letzten Worte an den Gefängnisdirektor, was zeigt, wie verzweifelt die Versuche der Hingerichteten waren, in ihren letzten Momenten eine Verbindung zur Welt der Lebenden zu schaffen.
Vernetzung und Aufarbeitung der Vergangenheit
Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass die Hingerichteten oft nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Polen, Frankreich und Tschechien stammten. Über 1.000 Menschen wurden in der Haftanstalt München-Stadelheim bis 1945 hingerichtet. Diese Einrichtung war nicht nur ein Ort des unermesslichen Leids, sondern spiegelt auch die brutale Realität der NS-Justiz wider, während der die Zahl der mit Todesstrafe belegten Straftaten explosionsartig anstieg.
Im Rahmen des Projektes werden weitere Akten im Staatsarchiv München untersucht und digitalisiert, was auch die Forschung zur Geschichte des Nationalsozialismus unterstützt. Die Zusammenarbeit zwischen den Archiven ist ein Schritt, um die Schicksale der NS-Opfer wieder ans Licht zu bringen und den Nachfahren das Gefühl zu geben, nicht vergessen zu werden.
Floriane Azoulay, die Direktorin der Arolsen Archives, hebt hervor, dass diese Briefe nicht nur ein wichtiges historisches Dokument sind, sondern auch eine immense Bedeutung für die betroffenen Familien haben. Sie bieten einen emotionalen Zugang zur Vergangenheit und sind unerlässliche Zeugen einer dunklen Zeit der Geschichte. Es liegt an uns, diesen Erinnerungen einen Raum zu geben und sie frisch im Gedächtnis der Gesellschaft zu halten.