
Unter den Brücken in Offenbach haben sich zahlreiche Stadttauben angesiedelt. Dies ist nicht nur ein alltägliches Bild, sondern ein brisantes Thema für Tierschützer und Stadtplanung. Aktuell plant die Autobahngesellschaft eine umfassende Bauwerksreinigung der Kaiserleibrücke, welche tiefgreifende Auswirkungen auf die dort lebenden Tauben hat. Bei der Reinigung wurden Spalten zwischen den Gittern mit Kabelbindern und Maschendraht verschlossen, wodurch Tauben, die in den Hohlräumen nisten, eingesperrt wurden. Tierschützerin Sarina Römer beobachtete eine verzweifelte Taube, die versuchte, zu ihrem Partner zu gelangen. Ihre Beobachtungen werfen ein grelles Licht auf die Problematik der Stadttauben in urbanen Umgebungen.
Nach Schätzungen sind über 30 Tauben ohne Nahrung in den Hohlräumen gefangen. Während die Autobahngesellschaft die Notwendigkeit der Reinigung mit der Aufdeckung versteckter Mängel rechtfertigt, stellen Tierschützer das Vorgehen infrage. Gudrun Stürmer, eine erfahrene Taubenschützerin, bezeichnet die Maßnahmen als „absolutes No-Go“ und beschuldigt die Autobahngesellschaft, die Tiere absichtlich in Gefahr gebracht zu haben. Die Stadt Offenbach sieht hingegen keinen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, was die Tierschützer in ihrer Kritik weiter anheizt. Diese Komplexität der Situation zeigt sich auch im rechtlichen Rahmen, der Stadttauben nicht als gesundheitsschädliche Tiere einstuft, solange keine konkrete Gefahrenlage vorliegt.
Rechtlicher Rahmen und Tierschutz
Der rechtliche Status von Stadttauben in Deutschland ist kompliziert. Obwohl einfache Regeln zur Bekämpfung von Tierschutzverstößen existieren, gelten viele Maßnahmen, die gegen Tauben ergriffen werden, als problematisch. Straßentauben werden häufig als „Ratten der Lüfte“ trivialisiert, jedoch hat das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) betont, dass verwilderte Haustauben nicht automatisch als Gesundheitsschädlinge klassifiziert werden. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2021 besagt zudem, dass tötende Maßnahmen nur ergriffen werden dürfen, wenn ausreichende Beweise vorliegen, dass keine milderen Methoden zur Verfügung stehen.
Laut tierrechte.de sind Stadttauben Nachfahren früherer Haustierarten und somit Tiere, die sich nicht an ein Leben in freier Wildbahn angepasst haben. Diese Tauben sind anfällig für Nahrungsmangel, besonders in Zeiten, in denen Futterstellen vermindert sind. Tierschutzverbände warnen eindringlich davor, dass ohne eine nachhaltige Populationkontrolle die Tiere verhungern könnten. Das fangen und töten von Stadttauben ist grundsätzlich verboten, kann aber unter sehr strengen Auflagen genehmigt werden.
Folgen und Ausblick
Die Autobahngesellschaft plant, alle Zugänge zum Innenbereich der Brücke dauerhaft zu verschließen, um Schäden durch Taubenkot zu verhindern. Tierschützer warnen, dass diese Maßnahme die Tauben zwingen würde, neue Nistplätze in der Umgebung zu suchen, was die Problematik nur verlagert und nicht löst. Die Herausforderung, ein gerechtes Taubenmanagement zu etablieren, wird somit augenscheinlich immer komplexer. Ein professionelles Management, das auch Tierverschonung beinhaltet, ist unerlässlich, um tierschutzrechtliche Probleme in der Stadt zu lösen. Schließlich ist der Schutz von Tieren im Grundgesetz verankert und muss auch in der Praxis ernst genommen werden.