
Am 12. Februar 2025 tagte die Stadtsynode der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach im Dominikanerkloster und beschloss ein umfassendes Maßnahmenpaket zum Thema „sexualisierte Gewalt“. Dies geschehen vor dem Hintergrund eines Abschlussberichts einer eigens eingesetzten Arbeitsgruppe. Der Bericht wurde von führenden Persönlichkeiten, darunter Pfarrer Gunter Volz, Monika Heil, Marko Schäfer und Markus Eisele, vorgestellt und umfasst 73 Seiten. Darin werden gezielte Maßnahmen zur Sensibilisierung im Umgang mit sexualisierter Gewalt und den damit verbundenen Machtstrukturen empfohlen, um sich intensiv mit Täterstrategien auseinanderzusetzen.
Ein zentrales Anliegen des Berichts ist es, die Erkennung von Manipulation und Machtmissbrauch zu schärfen. Themen wie Geheimhaltung, Einschmeicheln, Sonderbehandlungen sowie Drohungen und Schuldzuweisungen werden als Schwerpunkte in den Schulungen für Mitarbeitende aufgeführt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Forderung, die Glaubwürdigkeit der Betroffenen nicht in Frage zu stellen.
Empfohlene Maßnahmen zur Verbesserung
Die Arbeitsgruppe gab verschiedene Vorschläge zur Verbesserung und Prävention sexualisierter Gewalt. Dazu zählen der Aufbau eines systematischen Wissens- und Kompetenzmanagements sowie die Einrichtung einer Fach- und Koordinierungsstelle zum Gewaltschutz. Zudem wird die Einführung eines Qualitätsmanagements als notwendig erachtet. Die größten Herausforderungen liegen dabei in der Etablierung flächendeckenden Wissens und Schutzstrukturen sowie der Identifizierung von Gefährdungspotenzialen.
Der Vorstand des Stadtdekanats und des Regionalverbands wurde beauftragt, die Empfehlungen in Abstimmung mit Betroffenenvertretern umzusetzen. Der Anlass für die Gründung der Arbeitsgruppe waren die alarmierenden Ergebnisse der „ForuM-Studie“ zur sexualisierten Gewalt in der Kirche und Diakonie, die das jahrzehntelange Versagen der Institutionen auf diesem sensiblen Gebiet aufdeckte. Viele Betroffene seien nicht gehört worden, Taten seien nicht aufgearbeitet und Täter seien geschützt worden.
Fortschritt und Herausforderungen
Die Analyse dieser Studienergebnisse zeigt, dass sexualisierte Gewalt in vielen Kirchengemeinden oft nicht ausreichend thematisiert wird. Während in Evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder Fortschritte erzielt werden, dominiert in anderen Bereichen die Ansicht, dass „das bei uns nicht passiert“. Handlungsbedarf wird in der Regel erst bei konkreten Vorfällen wahrgenommen, was eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Thema zur Voraussetzung einer Kulturveränderung macht.
Prälat Burkhard zur Nieden äußerte zudem großes Interesse an der umfassenden Aufarbeitung von Akten, um eine zukünftige unabhängige regionale Aufarbeitungskommission vorzubereiten. Aktuell sind in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck rund 9.600 Menschen beschäftigt, während etwa 600 Akten im Landeskirchenamt aufbewahrt werden. Schätzungen zufolge lagern insgesamt annähernd 80.000 Personalakten an verschiedenen Standorten, was die Komplexität der Aufarbeitung verdeutlicht.
Die Kirche wird dazu aufgefordert, ihre Strukturen an die neue Realität anzupassen und den betroffenen Personen eine Stimme zu geben. Der Reformprozess „ekhn2030“ stellt die Kirchengemeinden vor weitere Herausforderungen, insbesondere angesichts des sinkenden Mitglieder- und Ehrenamtlichenzahlen und den notwendigen Anpassungen in den Gemeindeprogrammen.
Präventionsmaßnahmen und gesetzliche Rahmenbedingungen
Um die Prävention sexualisierter Gewalt in der Kirche zu stärken, wurde am 17. April 2018 von der Kirchenleitung der Nordkirche ein Präventionsgesetz erlassen. Dieses Gesetz umfasst Verpflichtungen zur Prävention und zum angemessenen Umgang mit Vorfällen. Seit 2022 gibt es zudem eine verpflichtende Basisfortbildung für alle Pastor*innen sowie Mitarbeitende in kinder- und jugendnahen Bereichen, begleitet von Selbstverpflichtungserklärungen zur persönlichen Verantwortung in der Prävention.
Die Einführung eines Abstinenz- und Abstandsgebots, das sexuelle Kontakte von kirchlichen Mitarbeitenden zu abhängigen Personen verbietet, ist ein weiterer Schritt in Richtung eines sichereren Umfelds für Kinder und Jugendliche. Für alle, die in diesen Bereichen arbeiten, ist ein erweitertes Führungszeugnis, das alle fünf Jahre erneuert werden muss, erforderlich.
Die Stabsstelle Prävention, die 2013 als „Koordinierungsstelle sexualisierte Gewalt“ gegründet wurde, hat ihre Strukturen seit 2020 ausgeweitet, um die Sensibilisierung und den Schutz weiter voranzutreiben. Präventions- und Meldebeauftragte, die seit 2018 in allen 13 Kirchenkreisen installiert sind, sind wichtige Ansprechpersonen, die aktiv an der Umsetzung des Schutzkonzepts arbeiten und das Bewusstsein für Prävention schärfen.