
In Bad Orb zeichnet sich ein erheblicher Konflikt um geplante Windkraftprojekte ab. Landrat Thorsten Stolz (SPD) äußerte Besorgnis über die Entscheidungen des Landes, die die Errichtung von Windkraftanlagen im Spessart betreffen. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) fordert Stolz dessen Einmischung in die Diskussion. Hintergrund ist die Genehmigung durch den Landesbetrieb Hessen-Forst für Windkraftanlagen, die von dem dänischen Unternehmen Ørsted auf einer ausgewiesenen Windvorrangfläche errichtet werden sollen. Diese Entscheidung wurde jedoch nicht mit der Stadt Bad Orb und ihren Entscheidungsträgern abgestimmt, was zu Spannungen führte.
Stolz betont die Notwendigkeit eines klärenden Gesprächs zwischen Rhein, den Verantwortlichen der Stadt Bad Orb und dem Main-Kinzig-Kreis. Er sieht die passive Haltung des Landes Hessen als Grund für die Verschärfung des Konflikts. Dabei weist er darauf hin, dass die Grundsatzentscheidung bereits von der Vorgängerregierung getroffen wurde, aber die CDU seit 1999 die Verantwortung trägt. Der Landrat appelliert an die Landesregierung, die Interessen der Kommunen in solchen Prozessen zu berücksichtigen.
Kritik an der Genehmigungspraxis
Hessen-Forst wies die Kritik an der Genehmigung der Windkraftprojekte zurück und betont, dass die ausgewiesenen Windvorranggebiete das Ergebnis eines demokratischen Prozesses sind. Sie erklärten, dass die Träger öffentlicher Belange am Ausweisungsprozess beteiligt wurden. Zudem sei die Prüfung möglicher Beeinträchtigungen eines geplanten Kur- und Heilwaldes nicht Aufgabe des Landesbetriebs. Das Waldgesetz sieht keinen gesetzlichen Vorrang für Kur- und Heilwälder vor, während Windkraft-Projekte einen übergeordneten gesetzlichen Vorrang genießen.
Die Stadt Bad Orb hat Hessen-Forst zudem nicht rechtzeitig über das geplante Projekt informiert. Stolz fordert auch, dass etwaige Ergebnisse eines Bürgerentscheids sowohl vom Land als auch vom Investor anerkannt werden. Er hebt hervor, wie wichtig Transparenz und Akzeptanz für eine erfolgreiche Energiewende sind. Laut ihm gibt es dringenden Handlungsbedarf für die Landesregierung, um Bürgerbeteiligung und Transparenz zu fördern.
Proteste und Bürgerbeteiligung
In der Zwischenzeit hat die Stadt Bad Orb europaweit Zeitungsanzeigen gegen das Windkraftprojekt geschaltet. Diese Anzeigen, unter anderem in der „Süddeutschen Zeitung“ und „Bild am Sonntag“, wurden als offener Brief veröffentlicht und sind von Bürgermeister Tobias Weisbecker (CDU) sowie dem Ehrenbürger Henning Strauss unterzeichnet. Strauss, der auch das medizinische Spa-Projekt Balnova in Bad Orb unterstützt, wirbt in der Anzeige dafür, dass die Windräder den Kurstandort gefährden könnten. Es sind Investitionen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags für Projekte wie Balnova vorgesehen.
Zudem erhält die Initiative zur Ablehnung der Windkraftprojekte Unterstützung von Mathias Beck, dem Präsidenten von Eintracht Frankfurt. Zwar ist unklar, ob er für den gesamten Verein spricht, doch sein Engagement weckt zusätzliche Aufmerksamkeit. Während Ørsted die Vorwürfe zurückweist und auf eine ordnungsgemäße Ausschreibung hinweist, ist Bürgermeister Weisbecker bereit, juristisch gegen das Windkraftprojekt vorzugehen. Der Widerstand gegen das Projekt bezieht sich nicht generell auf die Windkraft, sondern bezieht Bedenken wegen Flächenversiegelung und Trinkwasserversorgung mit ein.
Die Chancen der Bürgerbeteiligung
Es gibt jedoch auch Argumente, die Bürgerbeteiligung als Schlüssel zur Akzeptanz von Windenergieprojekten herausstellen. Bürgerbeteiligungsprojekte können die Akzeptanz erhöhen, beachten jedoch auch die Notwendigkeit, dass die Vorhabenträger ausreichend Gewinn erwirtschaften können. Frühzeitige Planung kann eine höhere Wertschöpfung vor Ort ermöglichen, was die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Projektumsetzung erhöhen kann.Bürgerbeteiligungen bieten zudem die Chance, dass die lokale Bevölkerung Nutzen aus der Energieinfrastruktur ziehen kann. Auch Experten betonen in Vorträgen die Bedeutung der finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten bei Windenergievorhaben.
In Hessen sind gegenwärtig 144 Klagen gegen Windkraftanlagen anhängig, eine Zunahme um 19 Klagen im Vergleich zum August 2024. Die Entwicklungen rund um den Widerstand in Bad Orb könnten somit im größeren Kontext der Windkraft-Diskussion in Hessen betrachtet werden. Der Streit hat nicht nur lokale, sondern auch überregionale Bedeutung und zeigt die Komplexität der Umsetzung von Windkraftprojekten, bei denen unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen.
Ein Lösungsvorschlag könnte deshalb darin liegen, dass eine verstärkte Bürgerbeteiligung und transparente Informationspolitik die Akzeptanz von Windenergieprojekten tatsächlich steigern können, was für die zukünftige Entwicklung in Bad Orb entscheidend sein könnte.