
Am 7. April 2025 fand in Kassel eine bedeutsame Veranstaltung statt, die an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren erinnerte. Der US-amerikanische Generalkonsul Brian Heath aus Frankfurt war Ehrengast der Feierlichkeiten. Heath hob die tragischen Schicksale von 79 Zwangsarbeitern hervor, die kurz vor dem Einmarsch der US-Truppen von der Gestapo in Kassel erschossen wurden. In seiner Ansprache betonte er die fortdauernde Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, die in jenen Zeiten ihren Anfang nahm.
Michèle Lutz, Bürgermeisterin von Kassels französischer Partnerstadt Mulhouse, übermittelte in einer Videobotschaft ihre Gedanken zur Bedeutung der europäischen Werte. Sie mahnte zur Wachsamkeit angesichts der jüngsten Wahlergebnisse in Deutschland und Frankreich, die verstärkt diskutiert werden. Zeitzeuge Wolfgang Boczkowski berichtete bewegend von den Erlebnissen jener Tage, während Historiker Dr. Dietfrid Krause-Vilmar zusammen mit Gunnar Richter, dem ehemaligen Leiter der KZ-Gedenkstätte Breitenau, die Geschehnisse der letzten Kriegstage in Kassel und deren langfristige Auswirkungen analysierte.
Warnungen vor den Zeiten der Unruhe
Oberbürgermeister Sven Schoeller nutzte die Gelegenheit, um vor den Gefahren von Egoismus und Despotismus in der internationalen Politik zu warnen. Er stellte klar, dass Frieden auf stabilen Grundlagen beruht. In diesem Kontext erklärte Schoeller, dass zivilisatorische Errungenschaften durch Geschichtsvergessenheit und Kriegsgefahr bedroht seien. Er unterstrich, dass Freiheit, Frieden, Wohlstand und Sicherheit stets neu erkämpft werden müssten, selbst 80 Jahre nach dem Ende des Krieges.
Ein besonderer Bezug wurde dabei hergestellt zu Elisabeth Selbert, der Ehrenbürgerin und Juristin, die maßgeblich am Grundgesetz mitwirkte. Die documenta wurde als Symbol des kulturellen Wiedererwachsens hervorgehoben. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung vom Jugendchor der Neuapostolischen Kirche Kassel-Korbach unter der Leitung von Steffen Hause und von Kirchenmusikdirektor Eckhard Manz an der Orgel.
Zwangsarbeit in Kassel
Bei der Betrachtung der Hintergründe wird deutlich, dass Kassel während des Zweiten Weltkrieges ein zentraler Ort für Zwangsarbeit war. Henschel & Sohn, eines der größten Unternehmen der Stadt, setzte zahlreiche Zwangsarbeiter ein, die Lkw und Panzer herstellten. Ab 1939 waren in Kassel weniger als 2.000 Zwangsarbeiter beschäftigt, doch bis zum Kriegsende stieg ihre Zahl auf 22.000. Diese Arbeiter waren häufig zwischen 20 und 30 Jahren alt und litten unter unmenschlichen Lebensbedingungen.
Die Zwangsarbeiter arbeiteten oft bis zu 60 Stunden pro Woche, manchmal selbst am halben Sonntag. Ihre Löhne schwankten zwischen 20 und 70 Pfennigen; dabei erhielten sowjetische Bürger den geringsten Lohn und litten unter der sogenannten „Leistungsernährung“, die ab 1942 für Russen eingeführt wurde. Die Lebensumstände waren erbarmungslos: Nahrungsmittel waren knapp und die Hygiene in den Lagern ließ zu wünschen übrig, was zu Krankheitsausbrüchen und einer hohen Sterblichkeitsrate führte. Zudem waren Zwangsarbeiter täglich der Gefahr von Deportationen in Konzentrationslager ausgesetzt.
Zusammenfassend wird klar, dass die Geschichte der Zwangsarbeit in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs lange Zeit nicht ausreichend gewürdigt wurde. Zahlreiche ehemalige Zwangsarbeiter suchten nach dem Krieg ihren Weg zurück in die Heimat, während viele in den Lagern zurückblieben. Erst viel später begann eine Debatte um Entschädigungen, die mit der Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ in Verbindung steht, die rund 4,7 Milliarden Euro an 1,7 Millionen Überlebende der Zwangsarbeit ausgezahlt hat. Ein Online-Archiv mit 590 Erinnerungsberichten ehemaliger Zwangsarbeiter stellt zudem einen wichtigen Schritt zur Aufarbeitung dieser dunklen Kapitel der Geschichte dar.
Für die gefallenen Zwangsarbeiter, das europäische Einheitsgefühl und die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft bleibt es unabdingbar, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.